ANKLAGE
ERHOBEN
KLEINBAUMGARTEN
– Überraschende Wende in der Stimmzettelaffäre: Einem Wahlkommissionsmitglied droht die Anzeige.
Aufregung herrschte bei der Nationalratswahl am 3. Oktober 1999 in der Sprengelwahlkommission Kleinbaumgarten: Im amtlichen Ergebnis war keine Liberale Stimme zu finden, eine Wählerin urgierte aber, sie habe für das Liberale Forum gestimmt - ihre Stimme sei unterschlagen worden. Eine nochmalige Überprüfung der Stimmzettel ergab, dass auf einem Stimmzettel sowohl das
Liberale Forum, als auch die ÖVP angekreuzt waren. Es folgten eine Anzeige von Bürgermeister Hubert Krieger gegen die Wählerin wegen Verleumdung, eine Selbstanzeige zweier Sprengelwahlkommissionsmitglieder wegen des Wahlergebnisses, sowie die Anzeige wegen Verdachts der Verfälschung des Wahlergebnisses der Wählerin. Die Staatsanwaltschaft begann mit ihren Erhebungen. Ende Mai sah die Staatsanwaltschaft Korneuburg genügend Beweise
und erhob Anklage gegen den stellvertretenden Leiter der Sprengelwahlkommission Kleinbaumgarten. Ihm wird die Verfälschung eines Stimmzettels in seiner Funktion vorgeworfen, was in den Augen der Staatsanwaltschaft einem Amtsmissbrauch gleichkommt. Dr. Wilhelm
Tschugguel, Pressesprecher des Landesgerichts: „Kriminaltechnische Untersuchungen der Stimmzettel hatten ergeben, dass jenes zusätzliche Kreuz am für ungültig erklärten
Stimmzettel bei der ÖVP und jenes auf einem weiteren Stimmzettel identisch seien. Ausschlaggebend für die Anklageerhebung waren auch die Anzeige der Wählerin und die nachträgliche Diskussion in der Wahlbehörde wegen der fehlenden liberalen Stimme.“ Grundsätzlich wäre hier das Delikt der Verfälschung des Wahlergebnisses anzuwenden, weiß der Jurist, da der stellvertretende Sprengelwahlleiter aber in seiner Funktion angelobt war
und er somit als beamtet angesehen werden kann, wird die Anklage, die in der Vorwoche rechtskräftig geworden ist, auf Amtsmissbrauch ausgedehnt. Dieses Delikt ist mit einer Strafe bis zu fünf Jahren bedroht. Gaubitschs Bürgermeister Hubert Krieger reagierte überrascht, dass er von diesen Entwicklungen aus den Medien erfahren musste. Niemand habe ihn kontaktiert und davon informiert. Weder von der Anzeige gegen das
Kommissionsmitglied, noch von der Abweisung der Verleumdungsklage. Die Anzeige gegen den stellvertretenden Leiter der Kleinbaumgartner Sprengelkommission ist für ihn aber noch kein Schuldspruch: Verurteilt sei er noch nicht. Überhaupt rätselt er, warum diese Meldung an die Presse weiter gegeben wurde, bevor noch der zuständige Staatsanwalt aus seinem Urlaub zurück gekehrt sei: „Man reißt mit dieser Meldung wieder Wunden auf, die
erst vor kurzem zugewachsen sind!“ Die Landesvorsitzende des Liberalen Forums, Liane Steiner sieht den Verantwortlichen nicht in dem nun Angeklagten, sondern in Bürgermeister Hubert Krieger: Er hätte die Wahlzettelaffäre umgehend an die Staatsanwaltschaft zur Aufklärung weiterleiten müssen und nicht die Wählerin wegen Verleumdung anzuklagen: „Die eigentliche ‚Chuzpe‘ ist der Bürgermeister!“, so Liane Steiner.
Michael
Pfabigan