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WER FÄLSCHTE STIMMZETTEL?

Kleinbaumgarten / Nach dem Freispruch für Leo S. bleibt ein bitterer Beigeschmack: Es konnte wegen unbrauchbarer Zeugenaussagen nicht geklärt werden, wer den Stimmzettel verfälscht hat.

KLEINBAUMGARTEN / Kopfschütteln und Empörung riefen die Vorgänge im Zuge der Nationalratswahl am 3. Oktober des Vorjahres in der Öffentlichkeit und dann im Gerichtssaal hervor.

Wahlzettel manipuliert

Leo S., der Stellvertreter des Wahlleiters der Sprengelwahlbehörde Kleinbaumgarten, wurde verdächtigt, einen Stimmzettel manipuliert zu haben. Der Stimmzettel mit einer gültigen LIF-Stimme war um ein Kreuz im Kasten der ÖVP ergänzt worden. Damit war die Stimme ungültig. Pech für den Täter: Es handelte sich um das einzige Votum für das Liberale Forum. Aufgeflogen war das Ganze, als die Wählerin auf der Anschlagtafel nach ihrer Stimme suchte, sie aber nicht fand. Also schlug sie Alarm. „Ich habe dann mit einem Mitglied der Wahlkommission telefoniert, das wiederum Bürgermeister Krieger verständigte. Der Bürgermeister hat gemeint, er solle mit dem Wähler nur kommen, er würde ihm den Stimmzettel schon unter die Nase halten“, schilderte die LIF-Wählerin Doris H. (28) und meinte weiter: „Ich wollte aber nicht auf mir picken lassen, dass ich das zweite Kreuzerl gemacht habe oder zu blöd zum Wählen bin.“

Unter Druck gesetzt?

Sie wandte sich in der Folge an die Bezirkswahlbehörde. „Der Jurist dort meinte, es bleibe mir überlassen, vor den Kadi zu gehen. Aber es würde nichts bringen“, erklärte H. „Was heißt, das würde nichts bringen? Die Demokratie lebt davon, dass bei Wahlen alles stimmt. Sonst haben wir jugoslawische Verhältnisse“, empörte sich Richter Dr. Fiala über diese Auskunft. Doch das war nicht der einzige „gute Ratschlag“, den die 28-jährige Wählerin erhielt: „Der Bürgermeister ließ mir ausrichten, ich solle mir überlegen, wer mein Arbeitgeber sei, bevor ich etwas unternehme.“ Sie arbeitet für den Club NÖ, dessen Präsident Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll ist.

Anzeige gegen Ortschef

„Ist der Bürgermeister im Gerichtssaal?“, wollte daraufhin Richter Dr. Fiala wissen. Als sich Bgm. Krieger meldete, kündigte der Richter an: „Ich werde Sie bei der Staatsanwaltschaft wegen Nötigung anzeigen. So geht es ja nicht, dass man eine aufrechte Wählerin einzuschüchtern versucht!“

Wählerin angezeigt

Trotz aller Bemühungen, sie davon abzuhalten, den Vorfall publik zu machen, beschwerte sich H. bei der Bezirkswahlbehörde. Als Reaktion wurde sie von einigen Mitgliedern der Wahlkommission wegen Verleumdung angezeigt. Das führte jedoch zu keinem Strafverfahren, da die Kriminalisten einwandfrei feststellen konnten, dass das fragliche Kreuz im Zuge der Auszählung gemacht worden sein muss - auf einem anderen Stimmzettel fand sich nämlich der Durchdruck des Kreuzerls. Den Tipp, Anzeige zu erstatten, hatten die Mitglieder der Wahlkommission übrigens von der Bezirkshauptmannschaft bekommen. „Die BH hat wohl gemeint, dass Sie Selbstanzeige erstatten sollen, das wäre auch korrekt gewesen. Aber was hier passiert ist, ist ein Skandal. Das wirft ein Licht auf die Gemeindeführung. Meiner Meinung nach gehören die Gemeinden überhaupt abgeschafft und in größeren Verbänden organisiert. Es wird sowieso immer die BH angerufen, wenn eine Kleinigkeit passiert“, regte Richter Dr. Fiala an.

Schlampiges Protokoll

Auch das Protokoll, das S. im Rahmen der Wahl führen musste, wurde von Richter Dr. Fiala und Staatsanwalt Dr. Köhl heftig kritisiert. Es wurde nämlich mehrmals herumgestrichen. Eine Beisitzerin behauptete sogar, den Inhalt des Protokolls, das sie unterschrieben hatte, gar nicht zu kennen: „Das habe ich nicht durchgelesen. Ich weiß nur, dass ich unterschrieben habe, dass alles passt.“

Wer machte das Kreuz?

Schließlich versuchte Richter Dr. Fiala zu klären, welches Mitglied der Wahlkommission das falsche Kreuzerl gemacht hatte. Allerdings wollten weder die sieben ÖVP-Kommissionsmitglieder noch der SPÖ-Vertrauensmann etwas gesehen haben. „Das Ganze ist skandalös. Die ganze Wahlkommission hat sich abgeputzt, und einer hat gelogen. Dramatisch ist, dass keiner etwas gehört oder etwas gesehen hat - und wenn, dann hat er weggeschaut“, brachte es Verteidigerin Dr. Kristina Köck auf den Punkt. Keines der Kommissionsmitglieder will sich überhaupt daran erinnern können, eine ungültige Stimme ausgezählt zu haben. Aber drei ungültige waren es – auch ohne die verfälschte – in jedem Fall. In seinem Plädoyer meinte Staatsanwalt Dr. Köhl: „Das öffentliche Vertrauen in die ordnungsgemäße Abhaltung einer Wahl wurde in Misskredit gebracht. Das ist bei der Urteilsfindung zu berücksichtigen.“

Freispruch im Zweifel

Der Schöffensenat unter dem Vorsitz von Richter Dr. Fiala sprach Leo S. vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs frei. „An allen bleibt der Vorwurf hängen, dass sie nachträglich eine Stimme verfälscht haben. Vielleicht ist das auch gut so. Wir konnten nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit sagen, dass es S. war.“ Die Anklagebehörde überlegt rechtliche Schritte gegen die übrigen Wahlkommissions-Mitglieder. ALEXANDRA LINDNER